Alfred Zoppelt
          
          
        Etwas mit einem Rentier
              Ich habe ein Wörterbuch,
              
weil es mir darum geht
zu sprechen
wie man in Schweden
und in Norwegen spricht
und weil ich mich auch
mit dem Rentier
unterhalten will,
das man auf den Pullover
gestickt hat,
der im warmen Zimmer
auf einem Sessel
liegt ...
              
Mit dem Rentier,
das ab und zu
und alle fünf Minuten
auf die Uhr
und in meine Richtung
schaut ...
              
Das Rentier,
denke ich,
hat ein Recht darauf
zu erfahren
was ich denke
und auch ich
will wissen
was das Rentier
denkt.
              
An einem Abend
im Winter
sitzt die Dunkelheit
wie eine Frau
auf einer Bank
vor meinem Haus,
während der Wind
wie ein Wikinger
ums Haus schleicht
und durch die Fenster
schaut ...
              
Der Wind
ist eifersüchtig
auf das Rentier,
das wie ein Sprachlehrer
sieben Sprachen spricht
und der Wind
ist auch eifersüchtig
auf den Pullover,
der nicht friert
und mit den Zähnen klappert,
der in meinem Zimmer
auf einem Sessel liegt.
              
© Alfred Zoppelt
          weil es mir darum geht
zu sprechen
wie man in Schweden
und in Norwegen spricht
und weil ich mich auch
mit dem Rentier
unterhalten will,
das man auf den Pullover
gestickt hat,
der im warmen Zimmer
auf einem Sessel
liegt ...
Mit dem Rentier,
das ab und zu
und alle fünf Minuten
auf die Uhr
und in meine Richtung
schaut ...
Das Rentier,
denke ich,
hat ein Recht darauf
zu erfahren
was ich denke
und auch ich
will wissen
was das Rentier
denkt.
An einem Abend
im Winter
sitzt die Dunkelheit
wie eine Frau
auf einer Bank
vor meinem Haus,
während der Wind
wie ein Wikinger
ums Haus schleicht
und durch die Fenster
schaut ...
Der Wind
ist eifersüchtig
auf das Rentier,
das wie ein Sprachlehrer
sieben Sprachen spricht
und der Wind
ist auch eifersüchtig
auf den Pullover,
der nicht friert
und mit den Zähnen klappert,
der in meinem Zimmer
auf einem Sessel liegt.
© Alfred Zoppelt
Bäume der Kindheit
              Die Purzelbäume,
              
die ich einst
in kindlichem Übermut
pflanzte,
hatten keine Wurzeln
und dennoch sind sie
fest verankert
im Erdreich meiner Erinnerung.
              
© Alfred Zoppelt
          die ich einst
in kindlichem Übermut
pflanzte,
hatten keine Wurzeln
und dennoch sind sie
fest verankert
im Erdreich meiner Erinnerung.
© Alfred Zoppelt
Hausfrau
              Der Mann ist auf Montage
              
und seine Frau ist allein.
Tja.
Sie sehnt sich nach ihrem Mann
oder nach einem Mann.
Je nachdem.
Du kannst sie über eine Flirt-Line erreichen
und sie wird dir sagen
daß sie Anita oder Anna
oder Kerstin heißt.
Sie ist 35 oder 42 Jahre alt
und ihre Stimme klingt
a) interessant
b) charmant
c) vielversprechend.
Sie sagt, daß sie nicht Sex sucht
sondern eine Freundschaft.
Sie redet um den heißen Brei herum
und letztlich geht es ihr doch um Sex.
Die Minute kostet dich 1 Euro 8 Cent.
Plus Mehrwertsteuer.
Du legst auf
fütterst die Katze
und schaltest den Fernseher ein.
              
© Alfred Zoppelt
          und seine Frau ist allein.
Tja.
Sie sehnt sich nach ihrem Mann
oder nach einem Mann.
Je nachdem.
Du kannst sie über eine Flirt-Line erreichen
und sie wird dir sagen
daß sie Anita oder Anna
oder Kerstin heißt.
Sie ist 35 oder 42 Jahre alt
und ihre Stimme klingt
a) interessant
b) charmant
c) vielversprechend.
Sie sagt, daß sie nicht Sex sucht
sondern eine Freundschaft.
Sie redet um den heißen Brei herum
und letztlich geht es ihr doch um Sex.
Die Minute kostet dich 1 Euro 8 Cent.
Plus Mehrwertsteuer.
Du legst auf
fütterst die Katze
und schaltest den Fernseher ein.
© Alfred Zoppelt
Goldener Käfig
              Wie eine Luxus-Kröte
              
hockt eine Villa
dort auf dem Hügel,
zweifellos
perfekt gebaut.
              
Eine junge Frau
geht in dieser Villa
unruhig umher,
zweifellos
perfekt gebaut.
              
Doch sie ist nicht glücklich
in diesem goldenen Käfig.
Es fehlt ihr die Liebe.
Die Wände ihrer Einsamkeit
sind perfekt gebaut.
              
© Alfred Zoppelt
          hockt eine Villa
dort auf dem Hügel,
zweifellos
perfekt gebaut.
Eine junge Frau
geht in dieser Villa
unruhig umher,
zweifellos
perfekt gebaut.
Doch sie ist nicht glücklich
in diesem goldenen Käfig.
Es fehlt ihr die Liebe.
Die Wände ihrer Einsamkeit
sind perfekt gebaut.
© Alfred Zoppelt
Die Langeweile
              Die Langeweile kommt auf Besuch
              
- ich habe sie nicht eingeladen! -,
füttert mein Herz mit frischen
Ereignislosigkeiten,
kurvt lustlos um die Ecken
meiner Sprach-Alleen,
wo tintenblaues Wortlaub
von den Bäumen fällt,
steht da und schaut mich an
mit ihrem bemerkenswerten
Es-ist-nichts-los-Gesicht,
sperrt meine Brust auf,
setzt sich in den Schaukelstuhl Seele,
fährt als blinder Passagier
in einem meiner Charakter-Züge
oder steht kopf
im Abendrot
geöffneter Fenster,
solange
bis ihr auch das
langweilig wird.
              
© Alfred Zoppelt
          - ich habe sie nicht eingeladen! -,
füttert mein Herz mit frischen
Ereignislosigkeiten,
kurvt lustlos um die Ecken
meiner Sprach-Alleen,
wo tintenblaues Wortlaub
von den Bäumen fällt,
steht da und schaut mich an
mit ihrem bemerkenswerten
Es-ist-nichts-los-Gesicht,
sperrt meine Brust auf,
setzt sich in den Schaukelstuhl Seele,
fährt als blinder Passagier
in einem meiner Charakter-Züge
oder steht kopf
im Abendrot
geöffneter Fenster,
solange
bis ihr auch das
langweilig wird.
© Alfred Zoppelt
Karriere
              Im Schwimmbad der Vergeßlichkeit
              
krebst
Professor Sehrzerstreut
mehr schlecht als recht
durchs kühle Naß,
während die Dozenten
Ehrgeiz und Neid
am Beckenrand
in der Sonne liegen
und flüsternd
Wetten abschließen
wann die Verkalkung
den alten Professor
endlich
in der Versenkung
verschwinden läßt.
              
© Alfred Zoppelt
          krebst
Professor Sehrzerstreut
mehr schlecht als recht
durchs kühle Naß,
während die Dozenten
Ehrgeiz und Neid
am Beckenrand
in der Sonne liegen
und flüsternd
Wetten abschließen
wann die Verkalkung
den alten Professor
endlich
in der Versenkung
verschwinden läßt.
© Alfred Zoppelt